Women on Web unterstützt die Legalisierung von Abtreibungen in Deutschland und fordert deutlich besseren Zugang zur Abtreibungsversorgung

Die steigende Nachfrage nach Unterstützung, die Women on Web aus Deutschland erhält, zeigt deutlich, dass die derzeit diskutierte Rechtslage den Bedürfnissen der Menschen bei einer ungewollten Schwangerschaft nicht gerecht wird.

15.04.2024

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Die Ergebnisse einer von der Bundesregierung eingesetzten Expertenkommission zum Thema Schwangerschaftsabbruch wurde heute veröffentlicht und an die Deutschen Minister übergeben. Wie bereits letzte Woche der Spiegel berichtet hat, kommt die Kommission zu dem Ergebnis, das die derzeitige Regelung einer »verfassungsrechtlichen, völkerrechtlichen und europarechtlichen Prüfung” nicht Stand hält. Sie rät zur Legalisierung* von Abtreibungen innerhalb von mindestens 12 Schwangerschaftswochen, die bis heute im Strafgesetzbuch aufgeführt sind. Weniger konkret sind die Empfehlungen in Bezug auf die Beratungspflicht und Schwangerschaften über 12 Wochen hinaus, wo die Entscheidung dem Gesetzgeber überlassen bleibt. Keines der Ergebnisse der Kommission ist jedoch rechtlich bindend.

Women on Web ermutigt die Gesetzgeber nachdrücklich, diese einmalige Gelegenheit zu nutzen, um den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen deutlich zu verbessern.  

Seit Jahren erreichen Women on Web Hilfsanfragen aus Deutschland. Allein im Jahr 2023 waren das über 2000. Laut Forschung auf Basis von Deutschen Women on Web Daten wenden sich Menschen sowohl aus einer Position des “Empowerment” als auch des “Disempowerment” an uns. Letzteren ist es unter den jetzigen Bedingungen oft nicht möglich, eine adäquate, zügige und wohnortnahe gynäkologische Versorgung für einen Schwangerschaftsabbruch zu erreichen. Besonders vulnerable Personengruppen, so etwa Menschen, die Gewalt erleben, den Abbruch geheim halten müssen, kleine Kinder betreuen, auf dem Land wohnen oder einen unsicheren Aufenthaltsstatus haben, sind in besonderer Härte von Zugangshürden getroffen.  

"Abtreibung muss als reguläre Gesundheitsversorgung anerkannt und reguliert werden. Wir fordern die Bundesregierung auf, endlich den internationalen Standards und den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation gerecht zu werden, indem sie Abtreibung aus dem Strafrecht streicht und Menschen dabei unterstützt, den Abbruch passend zu ihren Lebensumständen und Bedürfnissen durchführen zu können.“, kommentiert Executive Director Venny Ala-Siurua. 

Women on Web empfiehlt dringend, die Beratungspflicht und Wartezeiten abzuschaffen, um Zugangshürden weiter abzubauen123. Darüber hinaus betont Women on Web die Notwendigkeit, die Verfügbarkeit barrierearmer telemedizinischer Dienste zu verbessern, wie sie etwa in Frankreich und England bereits als Standardversorgungsform etabliert sind. Online begleitete Abtreibungen mit Medikamenten öffnen nicht nur eine praktische und diskrete Möglichkeit des Abbruchs für Schwangere, sondern sind auch ein wichtiger Baustein, um geografische und logistische Herausforderungen zu lösen. Telemedizin fördert den einfachen und fairen Zugang zu sicherer und zügiger Abtreibungsversorgung.

Women on Web ist eine gemeinnützige Organisation, die Informationen und Zugang zu Abtreibungspillen per Post auf der ganzen Welt anbietet. Seit der Gründung im Jahr 2005 hat Women on Web über 120.000 Menschen geholfen, eine sichere Abtreibung mit Pillen zu Hause durchzuführen. Women on Web- Daten aus Deutschland wurden bereits 2019 in dieser Studie veröffentlicht, die zahlreiche Zugangshürden aufzeigt. 

Für Presseanfragen auf Deutsch und Englisch kontaktieren Sie bitte inga@womenonweb.org. 

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*context: It is possible to officially obtain an abortion in Germany up to 12 weeks. However, it is still regulated in the criminal code, considered a crime, that remains unpunished if severel steps, including mandatory counselling and a 3-day waiting period, are followed. This legal set up has a negative effect on abortion access on many levels, one being that abortion is not covered by public health insurance.

1 https://bmcpublichealth.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12889-022-13620-z  

2 https://www.who.int/publications/i/item/9789240039483

3 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7250210/

 

Foto: Bündnis für Sexuelle Selbstbestimmung